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Innsbrucker Nachrichten 1899

Innsbrucker Nachrichten 1899, Nr. 97

Bauerntheater in Grinzens

von Anton Renk

Letzte Aufführung Sonntag 30. April


"Mathilda von Arlstein"

"Geah kimm decht wieder oamal auer, mir that'n wieder spiel'n", rief mir ein Bauernbursch eines Vormittags in der Leopoldstraße nach. In dem Burschen erkannte ich den "Star" der Grinzner Bühne, die komische Person "Mathilda von Arlstein" las ich auf dem Theaterzettel und ich beschloß den steilen Weg nach Grinzens zu wandern.

Am Wiltener Bahnhof traf ich noch drei "Stadtlinger" und so stiegen wir selbviert unter Schweißproduction bis zur Höhe des Plateaus, wo uns reich beblühte Obstbäume Kunde gaben, daß Meister Lenz schon vor uns heraufgekommen sei.

Trotzdem wir uns sehr beeilt hatten, waren schon einige Scenen des Stückes versäumt. Die Grinzner müssen mit dem Beginne doch auf das dem Zuge entsteigende Publikum warten! Daran dürften jedoch nicht die Grinzner schuldtragen, sondern die landesübliche Differenz der Kirchen- und Bahnuhren.

Bei Ibsens Dramen erfahren wir, da diese meist nur einen ausgeführten letzten Act darstellen, die Vorgeschichte durch die Exposition; man ist mühsam imstande, sie zu reconstruieren. "Mathilda von Arlstein" aber ist ein tieferes Stück, ich konnte mir das Versäumte nicht ergänzen, auch die hübsche Thresl neben mir half mir nicht dazu. Ich weiß nur, daß ein Geist und ein Grabstein vorkam und daß der finstere Ritter Wolf - die bösen Ritter der Bauerntragödie heißen meist Wulfo oder Wolf; ist das im Parlamente auch so? (Anm.: Wolf hieß zu der Zeit in Tirol ein nationalistischer Abgeordneter, der für Wirbel in Stumm/Zillertal sorgte) - Mathilden aus irgendeinem Grunde (verschmäthe Liebe?) bitter haßt. Lassen wir also das - aber ein Geist und ein Grabstein, das fangt gut an. Ich harrte also durch diese zwei Dinge ermuthigt, der Dinge, der Dinge die da kommen werden.

Mathilde ist in einem Wald schloß bei einem Pflegevater W alther. Vor diesem erscheint nun der Ritter Siegfried, der ebensowenig tapfer wie heftig verliebt ist. Aber er traut sich nicht und ftägt deshalb seinen Knappen um Rath. Der erwidert: "I gang iez stracks ins Schloß und gang zum Freiln hin - Und busset ihr die Hand und sieg ihr wer i bin ... 0 helfts mir decht mein Hearn, sonst stirbt er mir vor Lieb", deklamiert er weiter, aber als das Fräulein erscheint, fällt ihm das Herz in die Hosen: "Und wenn's mi thats derschlag'n - I kunn enk nimmer helfen, i kun koa Wort mehr sagen." Mathilde lädt den Ritter zu sich aufs Schloß, Hans ist mit der Zofe allein, was ihn zur folgenden tiefsinnigen Philosophie verleitet: "Sag Hans, was sollst Du mit diesem Mädchen machen - W oaßt goar koan Zeitvertreib?"

"Er will sie 'als einen Engel im Fleische verehren'!"

Er schildert ihr ein Weh, was die realistisch veranlagte Gretl mit einer Einladung zur Küche beenden will; aber der Hans hat 'gar koan Appetit'. Auch das 'Doctor holen' ist umsonst, denn "Wenn Du mir nit bald hilfst - dann bin i dechter toadt. "

Der Vorhang fiel und ein feines, lustiges Misigl (Musik), bestehend aus Klampfen und Zither ertönte.

Wie der Herr so der Diener. Nach dem Re..., welches Lessing in seiner "Minna" gibt, verlobt sich Siegfiied mit dem Burgfräulein und Hansl mit der Zofe, indem er findet, der Gruß "Frau Knappin" klinge doch besser als "Frau Lappin".

Dem Schloßvogt Siegfiieds ist Botschaft zum herrlichen Empfang gesendet. Die Gretl muß an Hansls Seit'n, als wie a tanzigs Rössl reit'n. "

Von dem armen Pflegevater nimmt Mathilde unter Schenkung des Schlosses Arlstein rührenden Abschied: "Du bist mein Wanderstab, auf dich will ich mich stützen", dem neuen Heim zu. Dort üben der Vogt und Hans zum Empfang eine Parade ein.

"Oes commandierts die Knappen - Und i dös Bauernvolk, - Es sein a so bloß Lappen." Hans freut sich an der Eiftigkeit des Vogtes: "Schau, wie er's gneatig hat, der alte graue Schimmel,

's ist sunst a gueter Kerl, aber halt a Lümmel! - Ja, wenn halt i nit war, gabs heut a Sauerei."

Nun kommen die Bauern zur Uebung. "Seids oamol da, ös Fraß?" Die Bauern sind schnell gekommen, denn sie ahnen einen Hochzeitstrunk.

"Bei'n Zins und Stuier zahl'n, da kriechts als wie die Schneggn", bemerkt der ungnädige Hans, der allerhand "Ringgel" in der Montur entdeckt. Schnapsflaschen, Speck, Nudel befinden sich darin. Hans confisciert alles trotz der Versicherung, wie: "I bin ganz laar. "

"Wenn i das glaben that, i woll a 'n Esel war", ist Hansens Antwort, als der Graf eintritt und mit unnachahmlicher - Grazie den Ehrenbezeugungen abwinkt.

Nun endlich kommt der böse Ritter Wolf und heckt mit seinem sonst ehrlichen Freunde Dietrich einen Anschlag aus. Die nächste Scene fuhrt uns in Siegfiieds Schloß, wo Mathilde ihren Gatten zum Kampfe rüstet: "Ich gürte Dir das Schwert mit meinen eig'nen Händen - Und mit gerührtem Herz um Deine schlanken Lenden. " Nun erscheint der Vetter Wolf, der von Siegftied sofort verlangt, er solle sein Weib verstoßen, was den tapferen Siegfiied veranlaßt, auf die Knie zu sinken und um Sinnesänderung zu flehen.

Ein Geist in weißen Strümpfen, ditto Unterhosen und Hemd, mit einem weißen Schleier über den Kopf verkündet Mathilden Unheil und siehe, schon kommt die Botschaft, daß Arlstein von Wolf zerstört ist. Zugleich wird der Fehdebrief Wolfs überbracht. Siegfiied will eine Zusammenkunft mit dem bösen Vetter und geht von seinem Sinn trotz Hansens Verwarnung: "Der bracht Enk z'Ietzt no um und dös war Sünd und Schad", nicht ab, sondern verfugt sich zu ihm.

Auch dem Hansl geht's schlecht, denn die Zofe will nun einmal geheiratet sein: "Geliebter Du machst koan ernst - Du magst wohl zornig sein, Du mueßt mi dechterst nehmen. Hans sucht es ihr auszureden, indem er ihr trauiges Schicksal nach seinem Tode schildert: "A'n arme Wittib warst und hatt'st an Haufen Kinder, - Du warst a'n armer Knochen. "

Doch Gretl erwidert: "Geduld Di nur a Weil, es werd dös als no g'rochen."

Und patsch hat der stramme Kriegsknecht eine Watschen von der handfesten Gretl, um die wir ihn nicht beneiden. Doch er tröstet sich: "'s ist nur guet, daß es niemand g'sechn hat." Der wird Augen machen, wenn er seine Schand in der Zeitung liest.

Auch in der nächsten Scene gibt's eine Ohrfeige, von Wolf bei der Zusammenkunft dem Siegfiied verabreicht. Nun blitzen die Schwerter. Siegfiied wird gefesselt, das Schloß Siegfiieds wird überrumpelt, Wolf dringt in die Gemächer un will Mathilden, die sich auch bewatlhet hat, erstechen. Aber Dietrich verhindert dies. WolfveIjagd Mathilden, ohne zu gestatten, daß sie vom gefangenen Siegfiied Abschied nehme, mit den Worten: "Du schändlich geile Metze weiche aus meinem Gesicht, bevor ich Dich mit Hunden hetze. "

Die nächste Scene zeigt uns Siegfiied, bleich, mit Mehl überschminkt, im Kerker. Wolf bringt ihm Brot und Wasser, doch jener stößt es von sich und beschließt des Hungertodes zu sterben. Mathilde aber irrt im wilden Walde. "Verlassen sterb' ich hier, gleich einer armen \Vaise - und ach mein Körper wird der wilden Thiere Speise."

Sie entschläft. Ein Bauer kommt.

"Ja wie, was iech i da, da liegt ja meiner Noath - A'n arme, schiene Frau; hilf Gott, sie ist schon toadt!"

Doch sie erwacht, trinkt Milch, der Bauer weiß nicht, soll er sie "Frau oder Jungfrau nennen". Mathilde verdingtt sich ihm als Magd.

Gretl und Hans sind nun auch von Wolf gefangen. Aber auch jetzt läßt die Gretl ihren Bräutigam nicht los. Er sagt: "Von was soll'n wir uns nähren?"

"Von der Liab!"

Die Kost ist aber dem Hansl "zu spear".

Die Gretl erlangt tUr sich und den Hansl die Freiheit. Der harte WolftUhlt ein menschliches Rühren und stellt nur die eine Bedingung, daß die zwei heiraten: "Ist das auch Dein Wille?" Hans: "I denk mir halt mein Thoal und schweig ganz einfach stille." Armer Hans vom Regen in die Traufe, von der einen Gefangenschaft in die andere!

Wolfist auf der Jagd im wilden Wald. "Hier find ich einen Platz, zur Ruhe wie geschaffen Nun will ich hier versuchen, ob ich denn nicht kann schlaffen."

Aber nicht das böse Gewissen weckt ihn unsanft, sondern ein riesenhafter Bär, welcher den Bösewicht überfällt. Da aber tritt Mathilde vor und ersticht das Unthier mit Wolfs Jagdspeer. Wolf stirbt.

Daß nun alles gut ausgeht ist klar. Der Hansl schleppt das Bärenfell in sein neues Heim und im Kerker findet das rührende Wiedersehen der getrennten Gatten statt.

Von den Spielern müssen wir in erster Linie den Hansl, der mit einer sonst den Oberinnthalern nicht eigenen Naturtiische und Lebendigkeit seine Rollie gibt, nennen. Gleichfalls ist der Wolf und der Bauer, sowie Mathilde und Gret1lobend hervorzuheben. Die Costüme sind teilweise

neu, was ein neuerliches Zeugnis der Theaterfteude dieser Leute ist. Das Stück ist etwas handlungsarm. Man ist bei den Grinznern gewohnt, daß es "ärger zugeht". Aber: ein Geist, ein Grab, ein Hungerthurm, ein Ritterftäulein als Magd, ein Bär - Herz, was willst Du noch mehr?

Die trauige und erhebende Geschichte hatte aber die Stimmung der Hörer weder tragisch noch andächtig gemacht, mit Schnelligkeit fiillte sich das ganze Wirtshaus, im ersten Stock sangen die Burschen Tiroler Lieder, in der Bauernstube tanzten dichtgedrängte Paare zur Mundharmonika und im Herrenzimmer zur Zither. Wer nicht wegen des Spiels nach Grinzens will, der komme wegen des Nachspiels. WIr mußten aber bald scheiden, denn nicht der Zug des Herzens, sondern der der Staatsbahn fiihrte uns nach Innsbruck zurück.