Mitwirkende Termine Bilder Grußworte Gästebuch Bühne Sponsoren Presse Service VIP
Startseite Mitwirkende Der Regisseur

Mitwirkende


Rollen und Darsteller Der Regisseur Singkreis Grinzens Musikkapelle Grinzens Die Komponisten Beleuchtung Plakat Organisatorisch



Judas im Passionsspiel


Judas in der Passion Grinzens 2006 und im Stück "Judas von Tirol" von Karl Schönherr

Am Plakat der Passion Grinzens von Josef Zeisler ist der Kreuzstamm, im Hintergrund die Bergkulisse der Nordkette, ein Nagel durch die Füße und von Jesus nur die Beine zu sehen. Die Idee zu der Darstellung geht auf eine Illustration der Himmelfahrt durch A. Dürer zurück. Vom Auferstandenen zeigte er nur den Rocksaum am oberen Bildende.
Bei alten Passionsspielen steht er grell angeleuchtet als Sinnbild auf der Bühne. Die „andere Sichtweise“ lässt Christus „erscheinen“. Diejenigen, die an seine Auferstehung glauben haben ihn gesehen und erzählen von der „Wirklichkeit“ des Auferstandenen unabhängig von der sichtbaren „Realität“
Bei jedem Marterl schauen wir dem Abbild des Gekreuzigten ins Gesicht.
Bei einer Theateraufführung hängt da ein Mensch am Kreuz. Der spielt zwar nur, aber doch ist die „Realität des Theaters“ eine andere als die eines Andächtigen vor einem Marterl. Im Theater wird zugeschaut. Es wird zugeschaut, wie Mutter Maria, Maria Magdalena und Johannes ihre Hälse verdrehen müssen, damit das Bild stimmt. Die Hälse müssen verrenkt werden, wenn die Zuschauer gleichzeitig den Gekreuzigten und die, die ihn anschauen von vorne sehen sollen. Alles sichtbar machen zu wollen, ist ein verdrehter Ansatz.
Wir sehen als Zuschauer in Grinzens Jesus am Kreuz nur im Spiegel des Entsetzens derer, die ihn anschauen.
Was hat die Beschreibung der Szene mit Judas zu tun? Ganz einfach. Judas will das Reich Gottes auf Erden verwirklicht sehen. Jesus versucht vergeblich klar zu machen, dass ein Staat von Gottes Gnaden nur ein Klischee, ein Abbild ist. Wenn wir aber Abbild und Vorbild für identisch erklären verraten wir das Reich Gottes.
Die Kernfrage bei Passionsspielen kreist immer um die Art der Darstellung dessen, was im Grunde nicht gezeigt werden kann, ohne die Welt hinter dem Sichtbaren zu verraten.
Wer in diesem Sommer in Grinzens das Passionsspiel besucht, wird dieses „Spiel der Spiele“ in einer anderen Optik erleben als üblich.
Üblich ist, dass Passionsspiele nichts mit der „weltlichen Kunst des Theaters“ (Vorwort zum Oberammergauer Passionsspiel von 1950) zu tun haben wollen.
Weltlich hin oder her. Auch beim geistlichen Spiel gehören die Verweltlichung und die Verkörperung zum Spiel wie das Amen zum Gebet.
Als „Gebetsschau und Versenkung“ (Oberamm. 1950) distanziert es sich von jeder Art der Kritik aus historischem und soziologischem Wissen. Es macht sich unangreifbar gegenüber Kulturkritik.
Selbst wenn sich ein Passionsspiel als „Predigt in Form eines Spiels, als Vergegenwärtigung jener Vorgänge“ versteht „die das Schicksal der gesamten Menschheit bedeutet“, geht es um den Widerspruch zwischen Heilsgeschichte und Geschichte. Im Spiel ist die Unvereinbarkeit dieser beiden Welten das zentrale Thema.
So wahr Jesus ganz Mensch und ganz Gottes Sohn ist, so wahr ist ein Passionsspiel sowohl auf der einen Seite Theater als auch auf der anderen Gottesdienst. Es lässt sich nicht die eine oder die andere Seite ohne Verrat an der Sache verleugnen.
Passionsspiele als „gelobte Spiele“ verdammen den Verräter Judas. Die Argumente, die Judas als Vertreter einer Kirche der Befreiung und „die Juden“ zur Erhaltung von Ruhe und Ordnung vorbringen könnte, fehlen in „Andachtsspielen“ weitgehend. Sie zitieren zwar nach der Bibel den Hohen Rat, der meint: „Besser einer stirbt, als dass das ganze Volk zugrunde geht“, aber die Begründung, warum das so ist, bleiben sie uns schuldig. Sie beschränken sich auf die „Einkehr des Menschen“. Sie wollen „eine Wegfindung in der Wirrnis des irdischen Daseins.“ sein. Wie aber können sie das, ohne ausreichend Motive des Handelns aufzuzeigen, ohne aufzuklären?
Der theatralische Ansatz eines Passionsspieles verteufelt Judas und „die Juden“ nicht, sondern stellt ihre Argumente zur Volksbefreiung der Botschaft Jesu gegenüber. Das ist dramatisch und mag auch verunsichern aber doch andererseits auch im Glauben stärken.
Der Beginn der Passionsspiele von Oberammergau - sie sind das Muster aller neuzeitlichen Passionsspiele in der Alpenregion - ist eine Art Judasgeschichte. Ein von der Pest angesteckter Taglöhner brachte die als Strafe für Sünden verstandene Krankheit nach Oberammergau. Die Pest brachte großes Leid. Um diese Schuld zu sühnen wurde das Passionsspiel alle zehn Jahre aufzuführen gelobt. Und siehe da, die Pest hörte auf, oder sagen wir lieber, sie wurde nicht mehr als Strafe des Himmels empfunden.
Übrig blieben aber die Legenden von Taglöhnern, Knechten und Fahrenden, die aus der Fremde Krankheiten mitbringen, das Volk des Dorfes mit Erkenntnissen „verderben“ und durch Fragen verunsichern.. Sie werden mit dem Etikett „Verräter“ und „Judas“ versehen. Raffl im „Judas von Tirol“ ist so ein vom Judasteufel angesteckter und verdorbener „Judas“, der nach dem Willen der etablierten Dorfgesellschaft zum „Gezeichneten“ wird.
Die neue Sicht auf die Rolle des Judas verändert das ganze Spiel, ja das ganze Weltbild von der Schuld des Verräters am Tod des Helden. Es sind nicht mehr die Verräter sondern die Helden selbst, die ihren Untergang verantworten, ja sie sind erst Helden, wenn sie sich wissentlich und willentlich aufopfern.
Eine neue Sicht der Judasfigur macht auf die Schuld derer aufmerksam, die sich auf Kosten anderer die Hände in Unschuld waschen, die Welt in Gute und Böse einteilen und sich als Richter aufspielen. Im Zusammenhang mit dem veränderten Judasbild erzählt das Passionsspiel nicht mehr vom Sieg der Christenheit über den bösen Feind und einen Justizirrtum. Da ist das Spiel auf einmal nicht mehr nur der Kampf zwischen dem Männerbund des Guten, den Jüngern, gegen den Männerbund der Bösen, des Hohen Rates. Die Männer verzichten auf ihre langen Bärte und die Frauen treten aus dem „Volk“ heraus. Aus den Typen, die zu einer Gruppe gehören, werden Individuen.
Wenn Raffl, der Verräter Andreas Hofers, im „Judas von Tirol“ mit Judas Ischariot verglichen wird, hat die Sache allerdings einen gravierenden Haken. Judas Ischkariot war ein Freiheitskämpfer und kam mit Jesus über Kreuz, weil der eben Liebe predigte anstatt zum heiligen Krieg aufzurufen, wie man es von einem Messias erwartet hatte.
Der Vergleich hinkt auch in anderer Hinsicht. Wenn Raffl mit Judas zu vergleichen ist, wird stillschweigend Andreas Hofer zur heiligen Figur. Schönherr hat also (so wie in weiteren Stücken ) durchaus zur Mythenbildung rund um den Freiheitskampf und den Freiheitshelden Hofer beigetragen.
Im „Judas von Tirol“ wird ein Knecht mit dubioser Herkunft dazu verdammt den Judas spielen.
Die Dorfgesellschaft stellt die Regeln auf, wer da im Leben und auf der Bühne was zu sagen hat. Unzweifelhaft erweisen sich die, die im Dorf die Rollen besetzen im Rollenvergleich als die „Hohen Räte“.
Sie nimmt Karl Schönherr vor allem aufs Korn, aber auch er gibt ihnen keine Argumente in die Hand (die Konstruktion des Stückes lässt es nicht zu). Sie sind für ihn genau so undifferenziert wie im traditionellen Passionsspiel „die Juden“, die als Christusmörder abgestempelt werden.
Als Schönherrs „Judas von Tirol“ 1903 erstmals in Innsbruck zu sehen war, gab es einen Theaterskandal. Das deutschnationale Lager(!) im Publikum begrüßte das Stück, Christlich-Soziale verurteilten es scharf.
Die Gleichung „Raffl ist Judas“ macht den Knecht zum „Mann aus dem Volk“ (wie später im nationalsozialistischen „Volksspiel“) und Andreas Hofer zum religiösen Führer im Dienst des „Heiligen Krieges“ für die deutsche Nation. . e.s.